Ostern in Israel

Mit der Campus-Weggemeinschaft ins Heilige Land – eine Erfahrung, die jeder, der die Möglichkeit dazu hat, einmal gemacht haben sollte. So dachten sich die Mitglieder unserer Reisegruppe, die keine Rücksicht auf das laufende Semester nahmen und mitten in der Vorlesungszeit die Reise nach Israel und in die Palästinensischen Gebiete antraten. Und tatsächlich sollten die gemachten Erfahrungen den verpassten Unistoff mehr als aufwiegen.

Den ersten Teil der Fahrt verbringen wir in St. Peter in Gallicantu in Jerusalem, wo Petrus dereinst seinen Herrn verleugnet haben soll. Gleich am ersten Tag steht ein Highlight auf dem Programm: die Palmsonntagsprozession, bei der wohl die meisten von uns zum ersten Mal in ihrem Leben einen wirklichen Palm- und keinen „Buchsbaumsonntag“ feiern können. Singende, tanzende, ihren Glauben und das Leben feiernde Gruppen aus aller Welt, der Einzug in die Altstadt auf den Straßen, auf denen Jesus selbst vielleicht einst unterwegs war – und wir mittendrin.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Tage liegt sicherlich in der frühmorgendlichen Messe direkt am Grab Jesu, die nicht nur wegen des besonderen Ortes, sondern auch aufgrund der Zeit (6:30 Uhr, das heißt 5:45 Uhr losgehen!) und der Gruppe einen sehr dichten, atmosphärischen Charakter hat. Zugleich verdeutlichen der Besuch von Grabeskirche und Tempelberg auch die unglaubliche Zerrissenheit dieser Stadt. Direkt am Grab: nur römisch-katholische, armenische und griechisch-orthodoxe Gottesdienste möglich. Die Kopten haben einen Anbau neben dem Grab, die Äthiopier müssen auf das Dach. An der Klagemauer: Männer und Frauen getrennt. Al-Aqsa-Moschee und Felsendom: nur für Muslime. Was wäre wohl möglich, wenn die verschiedenen Gruppen in diesem Land die Energie, die sie aktuell aufwenden, um ihre eigenen Privilegien auszubauen und die der anderen einzuschränken, in den Aufbau eines gemeinsamen Miteinanders investieren würden?

Ein Eindruck, den auch der Abstecher nach Bethlehem bestätigt. Das prägende Erlebnis dieses Ausflugs ist nicht die vor Pilgern und Touristen berstende Geburtskirche und die schiere Unmöglichkeit, in endlicher Zeit zur eigentlichen Grotte vorzudringen, sondern die Mauer, die Jerusalem vom Westjordanland trennt, die direkt an der Straße liegt, das Land durchteilt und für uns Besucher aus Deutschland ja eigentlich nur eine nervige Zeitverzögerung bedeutet, für viele Palästinenser in den betroffenen Gebieten aber ihre Stadt in ein riesiges Gefängnis verwandelt, das sie kaum verlassen können. Zugleich sieht sich der Staat Israel mit Raketenangriffen und Selbstmordattentätern konfrontiert. Es ist klar: Eine einfache Lösung für diesen Konflikt gibt es definitiv nicht, wahrscheinlich gibt es sogar überhaupt keine.

Als uns vor Religion und Politik der Kopf raucht, kommt die Wanderung durch das Wadi Qelt nach Jericho gerade recht. Bei sengender Hitze laufen wir durch die Wüste, mal schweigend, mal redend, mal denkend, mal einfach nur einen Fuß vor den anderen setzend, und am Ende bleiben bei mir vor allem zwei Eindrücke hängen: Peter Klasvogt ist nicht nur unglaublich gebildet, sondern auch wahnsinnig fit. Und: Wenn ich vierzig Tage in dieser Gegend verbringen müsste, ich wäre nicht verwundert, wenn auch mir plötzlich der Teufel erscheinen würde.

Wenn man als deutsche Reisegruppe nach Israel fährt, gehört selbstverständlich auch ein Besuch in Yad Vashem, der Gedenkstätte für die Opfer der Shoah, zum Programm. Die unheimliche Dimension dieses Verbrechens bleibt unbegreiflich, egal wohin man reist. Aber es ist gut, dass es hier einen Ort gibt, an dem dafür Sorge getragen wird, dass das Andenken der Ermordeten wie der Überlebenden und auch der mutigen Männer und Frauen, die inmitten der Barbarei Menschlichkeit bewiesen haben, nicht in Vergessenheit gerät.

Nach vier überaus hektischen Tagen kommen wir nun, wie Peter Klasvogt es formuliert, in „einen anderen Rhythmus“, denn der zweite Teil unserer Reise führt uns nach einem Abstecher an der Taufstelle des Herrn und auf den Golanhöhen an den See Genezareth und damit ins Gebiet des ersten öffentlichen Auftretens Jesu. Zugleich aber kehrt in die Gruppe und in uns selbst Ruhe ein, wir tauschen uns über unsere Lebensgeschichten und unsere Eindrücke von den untersuchten Bibelstellen aus. Wir besuchen Nazareth und den Berg Tabor, nehmen in der Jugendherberge von Tiberias am Sederabend zur Eröffnung des jüdischen Pessachfestes teil, und natürlich feiern wir die österlichen Tage, zusammen mit den Benediktinern in der Brotvermehrungskirche in Tabgha. Am Abschlussabend sitzen wir, nachdem wir vorher noch eine Bootsfahrt auf dem See gemacht haben, zusammen und essen den berühmten Petrusfisch. Wir bedanken uns bei unserem großartigen Reiseführer Peter Klasvogt, der uns nicht nur zu den touristischen Hotspots des Landes geführt, sondern uns auch die Begegnung mit Menschen vor Ort ermöglicht hat, von der israelischen Professorin über Ordensleute und Angehörige der Fokolarbewegung bis zum Leiter des Konrad-Adenauer-Stiftung-Büros in Ramallah. Und wir können resümieren: Diese Erfahrung sollte jeder, der die Möglichkeit dazu hat, einmal gemacht haben.

Jurek Preker, Fotos: Fabian Kühnel